Halsband oder Geschirr?

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Diese Frage beschäftigt viele Ersthundbesitzer und sie wird in Hundeschulen nicht selten gestellt. Die Antworten sind allerdings nicht einheitlich und der Hundehalter, der es nur gut meint, mit seinem Hund, wird zusätzlich zur Internetrecherche endgültig verwirrt. Sicherheitshalber entscheiden sich viele dann doch für ein Geschirr.
Bei diesem Thema scheiden sich, wie bei so vielen Dingen die Hundehaltung und –erziehung betreffend, die Geister. Das Geschirr wird als modern und hundefreundlich gesehen, Halsbänder als überholt und gefährlich.

Was spricht für oder gegen Halsband oder Geschirr?

Es gibt tatsächlich ein paar Faktoren, die einer Abwägung bedürfen.

 

HALSBAND:
Auf Stachelhalsbänder brauchen wir wohl nicht weiter einzugehen. Ebenso halte ich Würgehalsbänder OHNE Zugstopp für ein No-Go. Nächster Schritt wären dann die Retrieverleinen, die man dem Hund komplett über- und wieder abzieht. Mit Zugstopp und ausreichend dick, sowie bei einem Hund, der nicht zieht, gibt es dagegen sicher nichts einzuwenden.

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Damit kommen wir auch schon zum wichtigsten Punkt Halsbänder betreffend. Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, wenn ein Hund mit einer guten Leinenführigkeit ein gutes (eher breiter, weich, gut sitzend, keine Scheuerstellen) Halsband trägt. Hängt die Leine durch und wird maximal zu kleinen Richtungsweisungen eingesetzt, ist das Halsband nicht zu dünn und sitzt nicht zu eng,... warum nicht?

Allerdings sind Halsbänder für Hunde mit schlechter Leinenführung eher nicht so gut geeignet. Befinden sich Halter und Hund nicht im Training (der Halter weiß den Hund ohne Zug auf der Leine nicht zu führen), so sollte auf jeden Fall, bis dieser Zustand erreicht ist, auf ein Geschirr umgestiegen werden. Die Frage nach der Sicherheit des Menschen und seiner Umwelt ist dabei allerdings nicht zu vernachlässigen. Für eine eher schmale Frau mit einem kräftigen 2-jährigen Labrador, der seine eigenen Wege gehen will, ist ein Geschirr pauschal keine Lösung. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch unbedingt das Halti, ein Kopfhalfter für Hunde, das in einigen Hundeschulen heutzutage, gemeinsam mit dem Geschirr, als Pauschalausrüstung empfohlen wird. Ein Halti muss unbedingt gut trainiert und die Handhabung idealerweise von einem guten Hundetrainer vermittelt werden, da es sonst Schäden im Wirbelsäulenbereich verursachen kann. Ein Halti sollte immer nur eine kurzfristige Übergangslösung sein.

Ungünstig sind Halsbänder zudem bei sehr kleinen Hunden, da sich ein ruckartiges, versehentliches Treten auf oder Ziehen an der Leine im Alltag nicht ganz vermeiden lässt. Die Energieeinwirkungen auf den winzigen Hundehals sind dann immens.

Auch Schleppleinen in Kombination mit Halsband sind bei kleinen und mittleren Hunden, sowie Wildfängen besser zu vermeiden und selbst bei gut trainierten, kräftigen Hunden ist immer Vorsicht im Training geboten. Hier ist das Geschirr oft vorzuziehen.

Die Kräfte, die zwischen Hund und Halter entstehen, wirken bei einem Halsband auf einer sehr kleinen Fläche. Hier befindet sich die Halswirbelsäule, die Luftröhre, der Kehlkopf, aber auch die Schilddrüse. Wer schon mal einen dauerziehenden Hund mit einer blauen Zunge gesehen hat, weiß, dass das nicht gesund sein kann.

Das sind aber glücklicherweise die härteren Fälle. Die gesundheitlichen Schäden, die durch ein Halsband erzeugt werden können, werden glaube ich gerne ein wenig übertrieben. Der bemuskelte Hals eines stattlichen Hundes, der Beute tot – und sich selbst trocken schütteln kann, ist nicht ganz mit einem menschlichen Hals zu vergleichen. Trotzdem, es bleibt ein Hals auf den Kraft einwirkt.

Mein eigener Hund trägt ein normales Halsband, nicht mal extra breit. Warum? Ganz einfach, meine Hündin findet Fremdkörper jeder Art, die ihr aufgezwungen werden, ganz fürchterlich. Schon immer. Da wird regelmäßig gekratzt und geschubbert, liegen oder im Gras wälzen mit Stricken und Schnallen um den Körper ist auch sichtlich unbequem. Das drückt, das nervt. Das Halsband hingegen hängt so locker um den Hals, dass man es über den Kopf ziehen kann und befindet sich dort auch nur aus rechtlichen Gründen. Die Leine, wenn sie benutzt werden muss, hängt durch, wir kommunizieren hauptsächlich ohne Leine und sollte sie doch mal für eine kurze, feine Korrektur benutzt werden, reagiert der Hund sofort. Damit denke ich, zwinge ich ihr am wenigsten körperfremden Schnick Schnack auf. Sie hasst es einfach. ;-)


GESCHIRR:
Ich sehe sie des Öfteren, diese seltsam laufenden Hunde, bei denen man sieht, dass sie über Jahre ziehend in einem (schlecht sitzenden) Geschirr gelaufen sind. Der aufgewölbte Rücken, oft kombiniert mit Passgang. Das sind aber nur meine vergleichenden Beobachtungen über die Jahre. Fachtierärztin für Orthopädie bin ich keine.

Früher trugen nur Schlittenhunde (- und andere Zughunde) Geschirre. Eigens dafür gemachte, qualitativ hochwertige Geschirre. Das sind jedoch nicht die Geschirre, die für unsere Haushunde in der Regel gekauft werden. Geschirre können die Bewegungsfreiheit des Hundes immens einschränken. Gerade im Schulterbereich ist absolute Rangierfreiheit wichtig.

Die Crux: Hundehalter, deren Hund ein Geschirr trägt, wägen sich häufig in falscher Sicherheit und sind oft weniger stark motiviert, sich mit Leinenführigkeit, Erziehung und Kommunikation auseinanderzusetzen. Ganz besonders kleine Hunde haben unter diesem Phänomen zu leiden. Sie werden von A nach B gezogen, spontan hochgehoben, in die U-Bahn gehoben, ein Hin und Her, und alles meist ohne eine Vorwarnung, ohne wenigstens einen Blick. Ohne die vorherige Möglichkeit, dies vielleicht auch freiwillig tun zu können. Kleine Hunde, die permanent aus dem Gleichgewicht gebracht werden und sich pauschal ins Geschirr stemmen, begegnen mir oft.

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Zu beachten sind bei Geschirren unbedingt auch schlechte Polsterung (Abrieb des Fells, Entzündungen), zu enge Schnallung in den Achseln (Vorderbein) oder ein stark eingeschränktes Brustbein und eben bereits erwähnte Schulterblätter.

Große Vorsicht ist auch bei sogenannten „Erziehungsgeschirren“ geboten. Oftmals führen sehr schmale Schnüre unter den Achseln des Hundes hindurch. Beim Hund sind die Vorderläufe nicht mit einem Gelenk am Brustkorb verankert, wie das bei unserem Schlüsselbein der Fall ist. Das Hundeschlüsselbein ist mehr ein von einem Muskel umgebener, sehnenartiger Strang im Rumpf. Die Erziehungsgeschirre drücken auf die Sehnen und funktionieren daher über Schmerzreize, ähnlich dem Stachelhalsband, nur an einer anderen Stelle.

Die Herausforderung beim Geschirr ist also, dass es unbedingt gut sitzen muss, den Hund in der Bewegungsfolge nicht einschränken sollte, nicht scheuern oder herumrutschen oder Schulterblätter und Brustkorb einengen sollte. Das Material sollte weich aber wasserabweisend sein und Schnallen und Eisenringe unterpolstert sein.

Klare Vorteile eines Geschirrs: Die Kräfte werden bei ruckartigem in die Leine springen wesentlich besser verteilt. Damit ist es auch für stark zerrende Hunde zunächst die bessere Wahl als Übergangslösung.

Für ängstliche Hunde gibt es zudem Sicherungsgeschirre mit dreifacher Schnallung, da sich Hunde in Panik aus einem Halsband alleine erstaunlich schnell herauswinden können.

Für das zeitlich eingrenzbare Schleppleinentraining braucht man allerdings, denke ich, nicht so viel Aufwand bei der Geschirrauswahl zu betreiben.

 

Und jetzt?
Im Grunde muss jeder selbst entscheiden, was in seinem Fall am besten passt. Um was für einen Hund handelt es sich, wie groß ist er, wo steht er im Training, was steht uns noch bevor.....

Ich persönlich sage immer: Wenn der Hund leinenführig ist, ist es am Ende egal, was er trägt. Und dann ist weniger oft mehr... Und weniger störend für den Hund.

Schwierig finde ich die Tatsache, dass viele Menschen das Geschirr nutzen, um sich mit der gegebenenfalls anstrengenden Erziehung nicht auseinandersetzen zu müssen. Darunter leidet am Ende die Körperhaltung des Hundes. Um die Arbeit komme ich so – oder so – einfach nicht herum.

----Fidebum----

 
 
Posted on March 16, 2017 and filed under Alltag mit Hund.